GIZ-Vorstandssprecherin Tanja Gönner: „In einer Zeit starker Veränderungen und großer Herausforderungen laufen wir Gefahr bequem zu werden.“ Können wir uns das leisten?
VILLINGENDORF, 19. OKT. 14 - Bei den Regionalen Wochen in Villingendorf über den Tellerrand hinausschauen und das große Ganze in den Blick nehmen? Wie passt das zusammen? Nun, auch diesmal zeigte die politische Veranstaltung innerhalb dieser zum 13. Mal durchgeführten herbstlichen Reihe, dass die Zeiten endgültig und eigentlich längst vorbei sein müssten, in denen Abschottung und Kästchendenken noch ihren Platz haben.
Dafür sorgte im Weinhaus „Kreuz“ die Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit(GIZ), Tanja Gönner mit ihrer gleichermaßen leidenschaftlich wie charmant vorgetragenen Rede (samt anschließender Diskussion) über den Bereich, den sie seit April 2012 gestaltet.
In diesem globalisierten Zeitalter betrifft uns alles, sind wir mittendrin in all den Krisen dieser Zeit, die vor kurzem noch nie und nimmer für möglich gehalten wurden.
Die Flüchtlinge, der arabische Frühling („den ich eher als arabischen Herbst bezeichnen will“), die Vorgänge um die IS im Nahen Osten, die Krim/Ukraine-Krise, der Ebola-Virus, der die betroffenen Staaten in Afrika um Jahre zurückwirft – die Nennung der aktuellen dramatischen Ereignisse durch Tanja Gönner zeigt, dass die GIZ als die Einrichtung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (und längst nicht mehr „Entwicklungshilfe“ !) heute mit ihrem in 130 Ländern tätigen Dienstleistungsangebot für nachhaltige Entwicklung eine große, noch größere Verantwortung und Aufgabe hat denn je.
„Wenn wir all dies sehen in der Welt, müssen wir uns fragen: was hat der gesamte Einsatz gebracht?“ fragte ein Teilnehmer die heute 45-jährige, frühere Bundestagsabgeordnete und Ministerin. Eine verständliche Frage, aber: was wäre ohne all die Bemühungen einer Organisation wie der GIZ, die, langfristig unterwegs und im Dreijahreszyklus arbeitend, staatliche Strukturen aufbaut, mithilft Rechtsstaatlichkeit herzustellen und mit der Bevölkerung zusammen lebenswerte Zustände zu bewerkstelligen.
Das alte, frühere Denken ist längst out: „Wir bauen heute keine Brunnen mehr.“ Gerade mit dem heutigen Ansatz, der wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem von Bundesminister Gerd Müller sehr intensiv aufgegriffenen Impetus, an einer Welt ohne Hunger zu arbeiten und für faire Arbeitsbedingungen einzutreten, ist Deutschland auf dem richtigen Weg – so die gebürtige Sigmaringerin. Sie, die immer gerne in ihre Heimat zurückkehrt („unser Land ist wunderschön!“) hat schon immer über ihre Hohenzollerische Heimat hinausgesehen, hat in allen ihren Ämtern weiter geblickt als manche andere.
Auch bei den Schlichtungsgesprächen zu Stuttgart 21, bei denen sie sich mit großem Engagement und sehr viel Einsatz gegen viele Widerstände behauptet und sich für eine zukünftige Gestaltung des Bahnhofknotens gegen fast allen Mainstream eingesetzt hat. Nicht nur deswegen seufzte ihr ehemaliger Landtagskollege Stefan Teufel: „Du fehlst uns“, doch Tanja Gönner identifiziert sich voll und ganz mit ihrer jetzigen Aufgabe. Bei der sie die eine ganz große Herausforderung ins Zentrum ihres Vortrages stellte: „Wir müssen uns der Auseinandersetzung stellen, die auf uns zukommt, in einer Zeit des noch hohen Wohlstands.“ Der Auseinandersetzung, die im Jahre 2000 formulierten und 2015 dann neu zu formulierenden Nachhaltigkeitsziele den Anforderungen gerecht zu werden. Bei Themen wie Klima, Energie, Rohstoffgewinnung und –verwertung. In einer Zeit, „in der wir Gefahr laufen, bequem zu werden“, so Tanja Gönner, die auf Grund ihrer zahlreichen Reisen in viele Länder feststellen muss, „dass wir einen guten Ruf haben in der ganzen Welt“, aber leise Zweifel durchschimmern lässt, ob Deutschland fähig sein wird, den vorhandenen Wohlstand mit den anderen zu teilen. Oder auch ihn selbst zu bewahren.
„Unsere Vertreterin in Myanmar hat mir bei einem Treffer aller Mitarbeiter vor kurzem geschildert, wie sehr sie sich über unser Land wundert und mitgeteilt, in welcher Aufbruchsstimmung das zwischen Bangladesch, Indien, China, Thailand und Laos liegende Land sich befindet“, sagte Tanja Gönner.
Ob wir uns dessen bewusst sind, was sich „draußen in der Welt“ (die gar nicht so weit weg ist!) abspielt?
Diejenigen, die dabei waren, bei dieser von der CDU Villingendorf durchgeführten und von Martin Schwellinger moderierten Veranstaltung im „Kreuz“ haben ganz sicher einen vertieften Einblick bekommen in die weltweiten Zusammenhänge. Und gingen gewiss nachdenklicher nach Hause als sie gekommen waren. Doch blieben leider zu viele Stühle im Nebenraum leer und waren in der Gaststätte besetzt.
„Eine Aufgabe für uns alle?“ So hatte es in der Überschrift über die Veranstaltung gestanden. JA, lautet die Antwort. Und wenn Tanja Gönner innerhalb ihrer Rede die Tatsache in den Raum stellte, „dass wir vieles nicht mitkriegen“, dann ist das angesichts der dramatischen Lage, in der wir uns befinden, nicht unbedingt förderlich.
Sie hatte für den Abend im „Kreuz“ einen Galaabend „sausen“ lassen und war anschließend wieder zurückgefahren nach Frankfurt. Zurückgelassen hat sie allen Teilnehmern einen wertvollen Erkenntnisgewinn und das Wissen, dass wir uns auf unsicherere Zeiten einstellen müssen.