Unionsfraktionschef Volker Kauder: Wir haben einen Plan
Es ist dies die größte politische Herausforderung für Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dieser Satz elektrisiert geradezu, zeigt, womit Volker Kauder als Vorsitzender der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag in diesen Wochen konfrontiert ist: die Flüchtlingskrise stellt für die handelnden Akteure auf der Berliner Bühne vor eine Aufgabe, um die sie wohl niemand beneidet. Fast schon skurril mutete es dann auch den gut 60 Mitgliedern der CDU-Senioren-Union aus den Kreisen Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar sowie dem Bezirksvorstand Südbaden in der Bildungsakademie in Rottweil an, wenn Volker Kauder bei dem Gesprächstermin bemerkte, dass er im Sommer von einem Journalisten mit der Frage konfrontiert wurde: „Der Koalitionsvertrag ist abgearbeitet. Was gibt es jetzt in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode noch zu tun?“ Die Frage stellt sich nicht mehr.
Und auch dort schon hatte Volker Kauder darauf hingewiesen, dass die Griechenlandfrage, die von vielen bereits als Schicksalsthema behandelt worden war, weit in den Schatten gestellt werden würde von dem, was er auf Deutschland und auf Europa zukommen sah. Volker Kauder sah es früher als alle anderen: ganz eindrücklich schilderte er und beschrieb seine Erfahrungen bei seinen Besuchen im Nahen Osten und im nordafrikanischen Raum. Keinen der Teilnehmer ließ es kalt, wenn der CDU-Politiker von seinen Gesprächen und Erfahrungen in Kurdistan berichtete, von den zehntausenden von Flüchtlingen in den Lagern bei Erbil. Er ahnte, was geschehen würde. Nicht jedoch in diesem Ausmaß.
Die Aufgabe ist enorm, „doch wir können sie bewältigen.“ Auch wenn sie so komplex ist wie dies der Fall ist. Von den Zuständen in den Herkunftsländern über ein Europa, das ihm, dem überzeugten Europäer große Sorgen macht angesichts der zunehmenden egoistischen Nationalismen bis zu den Herausforderungen und auch der Stimmung in den Kreisen und Kommunen. „Sie haben ein Recht auf Wahrheit“, sagte der Unionsfraktionschef in einer Veranstaltung, bei der man die berühmte Stecknadel hätte laut fallen hören können. Auch auf die Wahrheit, dass es keine Obergrenze beim Asyl geben kann. Klare, einsichtige Aussagen, ohne Schnörkel. Auch darüber, dass die beschlossenen Maßnahmen wirken müssen, dass schneller entschieden werden muss zwischen denjenigen, die ein Bleiberecht haben und den Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive. „Die Menschen können uns vertrauen: wir haben einen Plan“, sagte Volker Kauder, der allen billigen und leichtfertig formulierten Parolen eine klare Absage erteilte.
Abschiebungen beschleunigen, kein Bargeld mehr, sondern Sachleistungen: es sind dies die von der großen Koalition beschlossenen Maßnahmen, die wirken, und da sind die Transitzonen, die die Union will und bei denen sich der Koalitionspartner noch schwer tut. Viele Bausteine, viele Verhandlungen und Gespräche, auch mit der Türkei, „die eine Schlüsselposition inne hat.“
Und wie die Bundeskanzlerin sagt Volker Kauder: „Wir schaffen es.“
Nachdenkliche Sätze, ohne Schönfärberei, aber auch ohne Überdramatisierung der Lage. Und genau diese Schilderung brachte Volker Kauder Beifall und Zustimmung ein bei den Mitgliedern und Freunden der Senioren-Union. Nachfragen ja in einer lebhaften Diskussion, die wie die gesamte Veranstaltung geleitet wurde von Eberhard Niethammer, dem SU-Bezirksvorsitzenden und dem Rottweiler Vorsitzenden der Senioren-Union, Helmut Spreter, der für die Organisation und Durchführung verantwortlich gewesen war.
Vieles hätte man sich ersparen können, wenn die Grünen schon früher bereit gewesen wären, den gesamten Westbalkan zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären: so die Kritik an manchen Widerständen von Seiten derer, denen es schwer fällt, über ihren Schatten zu springen. „Verantwortung jedoch schärft den Blick für die Wirklichkeit“, stellte Volker Kauder mit Hinweis auf die Äußerungen der grünen Oberbürgermeister Palmer und Salomon fest.
Auch hier gilt ein Leitspruch, nach dem Volker Kauder schon immer handelt: „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit“, so sein Ansatz auch bei dem schwierigen Weg, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Solches wünscht er sich endlich auch einmal vom Bundesverfassungsgericht, wenn es darum geht, wie hoch die Leistungen für die Flüchtlinge bzw. Asylbewerber sein müssen.
Ein ganz weites Feld, wozu auch gehört, dass die Religionen – so oft Ursache und Anlass für Streit und Auseinandersetzungen – den Menschen dienen müssen: „Fanatiker dürfen hier keinen Platz haben.“ Und kein Pardon will er auch denen geben, die bei Demonstrationen mit Galgen und Guillotine (dies bei einer Anti-TTIP-Veranstaltung) gegenüber unseren Spitzenpolitikern jeglichen Maßstab der demokratischen Auseinandersetzung verloren haben. Deswegen der dringende Appell des Unionspolitikers: „Hier ist die Bürgergesellschaft gefordert, solchen Dingen Einhalt zu gebieten.“
Bleibt als Schlussfolgerung: Miteinander den Weg gehen und zur Lösung dieser Herausforderung beitragen.
Und wenn die Mitglieder der Senioren-Union am Nachmittag zum Turm, dem „neuen Wahrzeichen“ von Rottweil gingen, um dort bei einer 1 ½ stündigen Führung zu erfahren, was bei gemeinsamer Kraftanstrengung möglich ist, dann mag dies ein Symbol dafür sein, was geleistet werden kann, wenn der Wille dazu vorhanden ist.
In aller Nüchternheit und Sachlichkeit, aber mit Energie und Tatkraft. „Wir haben kein Erkenntnisproblem“, sagte Volker Kauder: „Wir in der Union nehmen die uns gestellte Aufgabe an.“
Und die Frage, ob es im zweiten Teil der Legislaturperiode in Berlin langweilig werden könnte, stellt sich nun einmal gar nicht mehr.