Ja zum Koalitionsvertrag
Geschichte schreiben, wie man dies eigentlich gar nie wollte, sich niemals vorstellen konnte und wollte. Zeichen und Signale in einer Welt, in der alles durcheinander zu geraten zu scheint.
Die CDU Baden-Württemberg in einer Koalition mit den Grünen. Bis vor kurzem undenkbar, bei den fundamentalen Gegensätzen und Unterschieden in den weltanschaulichen Grundüberzeugungen. „Dass wir einmal einen grünen Ministerpräsidenten mitwählen würden, war bis vor kurzem außerhalb jeglicher Vorstellung“, so dachten und sagten es viele.
Und dennoch. Beim mitgliederoffenen Landesparteitag im Forum am Schlosspark in Ludwigsburg schrieb die CDU Baden-Württemberg Geschichte: Mit einer stärkeren Zustimmung als die Aussprache dies vermuten ließ, stimmten die Delegierten dem Koalitionsvertrag zwischen den Grünen und der CDU zu.
Auch, dass „wir nicht fusionieren mit den Grünen“, „dass der Koalitionsvertrag nicht das Grundsatzpapier der Christdemokraten von Baden-Württemberg“ ist, wurde gesagt, beschworen – und immer wieder hingewiesen auf die besondere Lage der CDU hingewiesen. Die Niederlage vom 13. März schmerzt, aber die Regierungsbeteiligung bietet die Chance, Politik mitzugestalten.
Aus der Mitte der Gesellschaft für die Mitte der Gesellschaft. Und nicht von den Rändern für die Ränder. Thomas Strobl beschrieb, wie oft die Grünen die gerne „Genderbezüge“ drin gehabt hätten in dem Vertrag, „und nun: null mal!“
Skurril: Am Tag zuvor, so berichtet er, haben die Grünen bei einer regionalen Veranstaltung am heftigsten beklatscht, dass die Schnellfahrradwege mit 17 Millionen Euro im Haushalt festgelegt sein sollen. Was für eine Zahl! Die nur noch getoppt und fast schon wieder abgemildert wird durch die Nachricht aus Nordrhein-Westfalen: Dort sind es 100 Millionen!
Es war anstrengend, die Zeit nach der Wahl, einen Vertrag zu schmieden mit zwei so unterschiedlichen Parteien. Doch: die Wähler haben quasi dazu gezwungen. Denn, so Thomas Strobl: ein Land wie Baden-Württemberg hätte nicht ein halbes Jahr ohne Landesregierung vor sich hindümpeln können. Also, es musste gewagt werden.
Und, so der Landesvorsitzende, in Bildung, Haushalt, innerer Sicherheit – da steckt ganz viel CDU drin. Der ländliche Raum soll gestärkt werden. Einmal noch wurde die so fatale Äußerung von Nils Schmid (SPD) zitiert, hoffentlich zum letzten Mal. Er ist genauso Geschichte wie dies hoffentlich seine Politik ist. Bei den Finanzen hinterlässt er eine herbe Erblast. Diese drückt sich – leider – in manchen Beschlüssen aus, die nicht dem Wahlprogramm der CDU entsprechen. Die – in ihrer Zahl jedoch überschaubaren - Demonstranten vor der Tür des Forums erinnerten daran …
Mit lang anhaltendem Beifall zollten Delegierte und Gäste dem CDU-Landesvorsitzenden ihren Respekt. Den erhielt danach auch Guido Wolf, der in seiner sehr persönlich gehaltenen Rede die Situation, auch die eigene, sehr offen, mit sehr viel Nachdenklichkeit beschrieb. Er sprach vom Licht, mehr noch aber vom Schatten, der das Wahlergebnis auf die Partei warf und der dafür sorgt, dass ein zur Tagesordnung übergehen nicht möglich ist. „Ich mache mir Sorgen um unsere Partei“, sagte er, sprach von seiner Verantwortung (ist es nur seine? Wohl nicht!) und davon, dass er seinen Beitrag zu leisten bereit sein – egal in welcher Position.
Übergang zu einer Aussprache, über die Thomas Strobl nach deren Ende sagte: „Beobachter werfen der CDU häufig vor, sie würde nicht diskutieren. Heute haben wir das Gegenteil bewiesen.“ Wohl war. Um die Werte der CDU ging es genauso wie um die Glaubwürdigkeit der Partei, und auch darüber, „dass wir uns nicht vor Angst verkriechen dürfen.“ Nichts wurde beschönigt. Unter der sehr souveränen Tagungsleitung des nordwürttembergischen CDU-Bezirksvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Steffen Bilger entstand eine Aussprache, die in der Summe die Bandbreite des Denkens wohl der gesamten Partei widerspiegelte, eine stets faire, auf hohem Niveau stehende Diskussion. Vorbildlich!
So wenn ein junger Delegierter vom Wir-Gefühl sprach, vom Zusammenstehen, wenn er aufmunterte und einen der zahlreichen Impulse aussendete, die letztlich in der Zustimmung mündete zum Votum für den Koalitionsvertrag.
Und wenn immer wieder davon die Rede von der Augenhöhe war, „in der wir verhandelt haben“ und davon „dass wir den Ausdruck Juniorpartner möglichst nicht benutzen sollen“, dann schimmerte eben doch immer wieder dieses vor kurzem noch für nicht möglich gehaltene Wahlergebnis durch, aber auch der gemeinsame Wille, die Chancen zu ergreifen.
Auch in dem Bewusstsein, dass sich „die Welt um uns verändert hat und wir uns nicht gemütlich einrichten dürfen in dem, was ist“, wie die stellvertretende Landesvorsitzende Annette Widmann-Mauz in ihrem Beitrag ausführte.
Genau deswegen gilt es darüber nachzudenken, wie die CDU mit all dem, auch mit den im Lande dramatisch veränderten Strukturen umzugehen hat.
Auch darüber ist sich die Partei einig. So einig wie beim gemeinsamen Singen des Liedes der Deutschen zum Ende eines Parteitages, der wichtiger Teil war einer besonderen geschichtlichen Stunde.