Was bringt junge Leute zum Salafismus? Welche Gefahr steckt dahinter?
Was bringt so viele junge Menschen dazu, ihr Leben radikal zu ändern und sich dem Salafismus anzuschließen, sich als „die wahren Muslime“ zu bekennen und eventuell in den Dschihad zu ziehen? Und welche Möglichkeiten der Prävention und auch der Repression gibt es? Mit diesen Fragen beschäftigten sich in einer knapp 2 ½ stündigen öffentlichen Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des CDU-Arbeitskreises Bildung im Refektorium des Kapuziners in Rottweil zwei Extremismus-Experten aus je unterschiedlichen und sich so ergänzenden Aspekten: Claus-Peter Grotz, Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg beleuchtete Gründe und Hintergründe für den Zulauf von jungen Leuten zu den Salafisten, erläuterte, auf welch raffinierte Art, mit den allermodernsten Methoden salafistische Bestrebungen Erfolg haben bei ihrer Zielgruppe und sie dazu bewegen, sich zu radikalisieren und einer scheinbar einfachen, in Wirklichkeit aber rückwärtsgewandten und bis hin zum bewaffneten Einsatz gelangenden Ideologie zu bekennen. Gründe dafür gibt es viele: Orientierungslosigkeit, die Suche nach Sinn, Versagensängste, zum Beispiel – und wenn dann die persönliche Ansprache („der face-to-face-Kontakt gehört stets dazu“) zu den Verlockungen aus dem Internet dazukommt, dann ist häufig der Weg vorgezeichnet.
„Man kann es merken, wenn jemand die Richtung eingeschlagen hat“, stellte Professor Grotz klar, „es gilt, die Anzeichen zu erkennen, ob durch lange Gewänder, einen auffallenden Bart, den Rückzug aus Familie und Umfeld oder ähnlichem.“
Was dann? Gibt es den Weg heraus aus den Fängen dieser islamistischen Ideologie? Es gibt ihn, erklärte Polizeihauptkommissar Michael Ilg, Leiter der Abteilung Prävention im Polizeipräsidium Tuttlingen, der das gesamte Tableau vorstellte: das gezielte Projekt in Zusammenarbeit mit Schulen, „das jeweils unterschiedliche situationsangepasste Vorgehen sowie Deradikalisierungsmaßnahmen“ und die Programme wie das etwas sperrig klingende „Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerkes gegen islamistischen Extremismus in Baden-Württemberg KPEBW“.
Vor allem aber: die gesamtgesellschaftliche Aufgabe gegen die salafistischen Bestrebungen als Nährboden für Radikalisierung bis hin zu terroristischen Aktivitäten ist offensichtlich und wurde in der sehr intensiven Diskussion im Anschluss an die Vorträge der beiden Extremismusexperten thematisiert.
Bleibt die Frage, ob „die Falschen“ bei der Veranstaltung des CDU-Arbeitskreises waren. Die Zielgruppe der Salafisten war nicht vertreten, das stimmt. Doch das gemeinsame Nachdenken nicht nur über das Warum, sondern auch darüber, dass ein offener, liberaler Staat viele Optionen ermöglicht und keine Zielvorgaben macht, vielleicht sogar Verunsicherung und Unsicherheit wahrscheinlicher macht als dies in einem geschlossenen vorgegebenen Weltbild der Fall ist, führte zu der Feststellung: Es gilt wachsam zu sein, aufzuklären, zu reden. Immer wieder. Und notfalls auch zum Verbot zu kommen. So wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière erst wenige Tage vor der Veranstaltung in Rottweil die salafistische Vereinigung „Die wahre Religion“ aufgelöst und verboten hat.
„Wir haben einen sehr spannenden und höchst interessanten Abend erlebt“, zog Monika Schneider, die Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung, die Bilanz bei ihrem Dank an die beiden Referenten für ihre Vorträge und die Diskussion mit einem sehr engagierten Publikum. Und einen wichtigen obendrein, kann man hinzufügen. Denn wie rechts- und linksextremistische Bewegungen sind auch die islamistischen Bestrebungen Teil einer zwar offenen, aber nicht weniger wehrhaften Gesellschaft. Dagegen hilft, so ein Ergebnis dieses Abends: aufklären, reden, engagieren, und, so nochmals Monika Schneider: „Seien wir hellhörig.“ Auch weil eine Bemerkung des Politikprofessors aufhorchen ließ: Junge Leute, die Salafisten und damit Teil eines jugendkulturellen Phänomens werden, kommen aus allen Gesellschaftsschichten und sind beileibe nicht einem Milieu zuzuordnen. Umso mehr, dies die Schlussfolgerung, ist Wachsamkeit angebracht.