Bundesminister Gerd Müller mit aufrüttelnder Rede bei der CDU in Rottweil / „Wir können den Hunger besiegen“
Wegen der auch in diesem Jahr wieder so schwungvollen, begeisternden Begleitung durch den Musikverein Frohsinn Rottweil-Altstadt? Wiederum mit dem Rottweiler Narrenmarsch zum Ende des offiziellen Teils des Neujahrsempfangs? Und dem Lob des Bundestagsabgeordneten Volker Kauder, der in seinem Beitrag vor allem anderem die herausragende Qualität dieses Orchesters hervorhob? Und da war gerade er, bis im Herbst vergangenen Jahres Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der seit Beginn der CDU-Neujahrsempfänge mit dabei ist, der mit bemerkenswert offenen Einblicken in sein Seelenleben deutlich machte, wie es ihm damals erging und wie er sich getragen weiß von seiner Basis, was ihm zahlreiche sehr persönliche Botschaften verdeutlicht haben. Und da war der CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Stefan Teufel, der das gesamte Geschehen gewissermaßen zusammenband und den Rahmen bildete auch für den Neujahrsempfang 2019.
Vor allem aber war es der Gastredner, den Teufel zum zweiten Mal nach 2015 eingeladen hatte nach Rottweil: hatte der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller bereits damals schon mit seinem völlig neuen Ansatz der „Entwicklungshilfe“ (diese Bezeichnung ist spätestens unter ihm längst schon ad acta gelegt)
Und er sagte: „Ich bin zwar nicht mehr Fraktionsvorsitzender, aber ich habe noch Einfluss.“
Da sind die Aufgaben zu Hause. Doch alles, was „draußen in der Welt“ geschieht, hat auch „mit jedem von uns zu tun“. Der Satz, dass alles mit allem zusammenhänge, ist längst nicht so abgedroschen, wie man es gelegentlich meinen könnte. Im Gegenteil! Wenn der Bundesminister in großer Offenheit und ganz und gar ungeschminkt davon sprach, was es bedeutet, wenn wir unsere Jeans für 100 Euro und den Kaffee für zehn Euro kaufen und wie wenig davon – gerade mal ein paar Cent –bei denen bleiben, die die Arbeit in Afrika machen, und das unter katastrophalen Bedingungen, dann ist das genauso. Und da setzt er an. Mit seinen Allianzen und seinen Projekten. Mit aller Leidenschaft und „weil wir Christen sind.“
Darum die Verantwortung, die alle zu übernehmen haben.
Die Flüchtlingsbewegung seit dem Jahr 2015 hat dazu beigetragen, dass das Ministerium, das sonst eher im Schatten stand, an Bedeutung gewann, und es war und ist der Minister, der ihm ein ganz neues Gepräge gab. „Wir müssen in Afrika win-win-Situationen schaffen“, sagte er, „und wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive haben. Dass sie sich nicht der Gefahr aussetzen und sich über das Mittelmeer einer ungewissen Zukunft aussetzen.“
Selten einmal gab es bei einem Neujahrsempfang so viel Zwischenbeifall wie bei der Rede von Gerd Müller, selten auch so dankbaren Applaus wie nach seiner Rede. Zuvor schon war der Trailer über seine Politik der „Nachhaltigkeit“ mit sehr viel Zustimmung und teils atemlos aufgenommen worden.
Auch dies sagte Gerd Müller zu dem in der ersten Reihe sitzenden Volker Kauder: „Ohne ihn wäre ich nicht Minister. Und ohne Volker Kauder hätte mein Haus nicht diese Zuständigkeiten und Kompetenzen, wie dies der Fall ist.“ Und er sprach nicht nur ihn, seinen Fraktionskollegen, immer wieder an, sondern auch dessen Ehefrau Dr. Elisabeth Kauder, die als Ärztin seit Jahren immer wieder unterwegs in aller Welt. Volker Kauder schließlich erwähnte in seinem Schlusswort, dass er bei der Regierungsbildung vor einem Jahr zu Horst Seehofer gesagt habe, „Du kannst bei den CSU-Ministerien machen, was du willst. Aber wenn du bei diesem Ministerium etwas veränderst, kriegst du ein Problem.“ Er bekam zumindest in dem Fall keins.
Viele würden die Frage nach dem Markenkern von CDU und CSU stellen und ihn vermissen: „Hier haben Sie die Antwort. Es ist das christliche Menschenbild, das uns prägt und aus dem heraus Gerd Müller seine Politik in ganz herausragender Weise gestaltet.“
Und spätestens unter dem Eindruck der Rede des Bundesministers verstanden alle Gäste, warum es Stefan Teufel wichtiger war, den im bayerisch-schwäbischen Kempen beheimateten Minister als Festredner in Rottweil begrüßen zu können als auf einen frühen Termin zu setzen: „Es ist wichtig, aus den jüngsten Erfahrungen zu lernen und gleichzeitig nach vorne zu blicken. Sie haben uns vor vier Jahren schon viele wertvolle Impulse auf den Weg gegeben. Wir alle wünschen uns, dass weniger Menschen wegen Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit ihre Heimat verlassen müssen. Sie stehen für eine solche Politik. Wenn es nicht anders möglich gewesen wäre, hätte ich den Neujahrsempfang auch im Sommer durchgeführt.“
Zum Glück war Letzteres nicht notwendig. Mit einem Termin gegen Ende Februar war es ja grade noch im Rahmen. Und die Fastnachtsdekoration, der Rottweiler Narrenmarsch und die Bemerkung von Gerd Müller, dass bei ihm zu Hause es noch weihnachtlich aussehe, zeigte einmal mehr, wie so vieles ineinander übergeht und dass alles mit allem zusammenhängt. Und noch etwas nahm er erstaunt und erfreut mit aus der ältesten Stadt Baden-Württembergs ins heimatliche Kempten („Wir kämpfen mit Trier darum, die älteste Stadt Deutschlands zu sein“): Als er sich umdrehte und die hinter ihm platzierte Musikkapelle ansprach, erblickte er in der ersten Reihe lauter junge Damen: „Das gibt es bei mir zu Hause leider noch nicht. Da wären die Frauen eher in den hinteren Reihen.“
So aufmerksam und mit einer besonderen Sensibilität ausgestattet wie er mit einem kritischen Blick den ihm vom Rottweiler Oberbürgermeister geschenkten essbaren Testturm taxierte: „Die Schokolade ist nicht fair gehandelt.“ Gerd Müller weiß wie wenige andere, unter welchen Bedingungen faire und anständige Lieferketten gebildet werden. Oder eben auch nicht.
„Hunger ist Mord“, sagte in seiner Rede. Aber er sagte auch, und er kämpft dafür: „Wir können den Hunger besiegen. Wir könnten alle sattmachen.“ Es ist möglich, davon ist er überzeugt. Und Gerd Müller zeigte auf wie, anschaulich und mit der Überzeugungskraft, die ihn kennzeichnet.
Wohl kaum jemand von den Gästen, darunter auch der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel, aus dem ganzen Kreis und weit darüber hinaus, hat bei diesem Neujahrsempfang den Heimweg so angetreten wie er wenige Stunden zuvor in die Rottweiler Stadthalle gekommen war. Jeder und jede Einzelne hat ein ganzes Paket an neuen, vertieften Einsichten und sehr viel an Nachdenklichkeit mit nach Hause genommen.